Wassermelone
Frau Choi hatte P. vorher auf dem
Schulhof apgepasst und ihr eine halbe Wassermelone in die Hand gedrückt.
"Hier Pearl, die ist für euch. Grüße schön deine Mutter." Sie hatten
ihre Ränzen abgeworfen, sich hingesetzt und ihren Streit fortgesetzt.
"Also", sagte er und hantierte mit dem Schneidemesser.
"Wieso heißt es "die
Schwarzen"?
"Weil...", P. zögerte,
"weil ihre Haut schwarz ist?"
"Falsch!" antwortete
Daniel prompt. Schau dir doch mal die Fahne an."
"Fahne? Welche
Fahne?"
"Na, die Deutschlandfahne!
Mensch, die ist doch schwarz rot, gelb!"
P. protestierte: "Gar nicht
wahr, die ist schwarz, rot, gold!" "Wenn du Augen im Kopf hast,
siehst du genau, daß die schwarz, rot, gelb ist!"
"Und was willst du damit sagen?"
"Was will ich damit
sagen?" D. äffte sie nach.
"Damit sind natürlich die Farbigen gemeint!"
"Welche Farbigen denn?"
"Du hast eine lange Leitung... Farbige in Deutschland. Es gibt die
Schlitzaugen. Das sind wir, die Gelben. Dann gibt es die Schwarzen. Wie Berhan
oder Sam. Und dann gibt es noch die Roten. Das sind die Deutschen."
P. schaute an sich herunter. Ihre
Arme waren rundlich und braun. Hellbraun. Von gelb keine Spur. "Ich wüsste
nicht, daß ich gelb bin." meinte sie mürrisch. Und welcher Deutsche ist
denn rot?"
D. schaute sie ungerührt an.
"Alle werden krebsrot, wenn sie an die Sonne gehen. Deshalb mögen die
meisten keine Sonne und freuen sich auf den Winter. Weil sie das aber nicht
zugeben wollen, tun sie so, als hätte sie Winterdepressionen."
P. schaute ihn zweifelnd an. "Das leuchtet mir alles nicht so ein. Und die
Sache mit gelb und schwarz stimmt immer noch nicht."
"Ja, das stimmt." D.
schnitt sich mit dem Messer weitere Melonenstücke ab.
"Wahrscheinlich sind die meisten farbenblind. Aber im Grunde genommen ist
das nett gemeint. Wir leben hier in einem Land, welches tolerant ist und
Menschen mit verschiedenen Hautfarben duldet."
"Meinst du nicht, man könnte
andere Fahnen drucken? Mit den Farben dunkelbraun, hellbraun und
hellrosa?"
D. packte die Melone ein und wischte
sich seine Finger an seiner Hose ab. "Das wäre zu teuer! Was meinst du,
wieviel das kosten würde, 88 Millionen Fahnen nochmal herzustellen."
"Das ist bestimmt gar nicht
teuer!"
"Doch doch, ist es P., glaub mir. Wirtschaftliche Rahmen-bedingungen liebe
P. Es sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die solche Verhältnisse
schafffen." Er verabschiedete sich und ging.
Ihr Vater saß am Esszimmertisch und studierte die Tageszeitung. "Vater! D.
meinte, wegen der wirtschafltichen Rahmenbedingungen würde man uns hier in
Deutschland "die Gelben" nennen."
Ihr Vater schaute kurz auf und sah
sie an.
"Wer hat dich als gelb
bezeichnet?"
"Niemand. Daniel behauptet
das."
"Ach so, Daniel." Er hob
kurz den Kopf und dachte nach.
"Das stimmt schon auf eine Art.
Er hat schon recht, er ist ein guter Junge." murmelte er und versank
wieder in seine Lektüre.
Dany
Dany hatte eigentlich Daniil
geheißen. Im Gegensatz zu den anderen koreanischen Müttern hatte ihm seine
Mutter hatte ihm einen russischen Namen gegeben. Später im Englischunterrricht
hatte ihr Englischlehrer ihn kurzerhand in Dany umbenannt. Sie, P. hatte damals
ebenfalls einen englischen Namen, Sally, bekommen.
Sie fand ihn jedoch so häßlich, daß
sie ihn außerhalb des unterrichts nie erwähnte. Daniil jedoch stellte sich
immer zuerst als Dany vor. Der Name war so banal und sexy, daß er anderen
Leuten immer problemlos über die Lippen kam. Dany lachte darüber: "Die
koreanischen Namen sind einfach nicht weltmarkttauglich. Don-Ju, Seo- won, wer
will denn so etwas aussprechen?"
Im Falle von Don-Ju hatte er Recht
gehabt. Sie wurde ständig Turnschu genannt. Seo-won dagegen wurde eigentlich
immer richtig ausgesprochen. Alle gaben sich Mühe, SEE-WUON richtig
auszusprechen. Nur einmal meinte eine Mitschülerin es würde sich anhören wie
Seehund. Aber es war typisch für Dany, daß er übertrieb. Während ihrer
Grundschulzeit saßen sie dem Unterricht immer eine Weile auf den Treppen des
Schulhofes und erzählten sich Geschichten. Eines Tages erklärte Dany, wie die
Farben der Deutschlandfahne zustande gekommen waren.
New vibrant
community
Der Verstand war der
Apparat, der die Welt auf eine bestimmte Art erschuf. Über eine 3 km lange
Brücke gelangte man zu Despommier City. Sie bestand nur aus Gewächsthäusern.
Die Kornkammer war ein überdimensioniertes Gebäude, welches aus 20ha grossen
"Schubladen bestand, in denen die Pflanzen indoor gezüchtet wurden. Eine
Zuchtanstalt für Pflanzen. Ein riesiges 50 Stockwerke hohes Gewächshaus. In dem
violetten LED- Licht gedeihten sie, bis sie abgeholt, in Kisten gepackt und
verwertet wurden.
Sie blieb stehen und las das Beiblatt: Vor Beginn jeder Messung müssen alle
Nutzer das Logbuch lesen um über Betriebsänderungen auf dem Laufenden gehalten
zu werden. Abweichungen vom Standard- Setup und andere Auffälligkeiten sind in
das Logbuch einzutragen.
Sie schwieg und schaute sich um. Sie wusste, dass der langsame Tod voller
Hoffnung war. Ihnen blieb immerhin das Bewusstsein als Erinnerung an ein
anderes Selbstsein, welches sie dem gesellschaftlichen Sein geopfert hatten. Es
war gefährlich, nicht zu wissen, wohin man gehen soll. Alle wollten abgeholt
werden. Aber diejenigen, die sie abholten, brachten sie nicht dahin, wo sie
wollten.
Die Pflanzen standen in Reih und Glied. Auf einem Schild stand "Aus
kontrolliert ökologischen Anbau. Welcome in the new vibrant community.
The greenest city in the worl.”
Die vollendete Form verschlug
ihr die Sprache. Die glatte Message. die besagte, das Einzige was stört, sind
Menschen. In der Klinik der Stille war der Tod die Perfektion. Verloren waren
diejenigen, die nicht wussten, woher sie kamen. Sie irrten umher und erlagen
den Einflüsterungen von Fremden. Wurden abgeholt und weggebracht.
Am Bordstein
Es war an einem nassen Novembertag.
Er saß auf der Straße und hielt mit beiden Händen ein Brötchen, in das er
hungrig hineinbiss. Seine Haare waren so fettig wie das Innere des saftigen
Sandwiches. In der Hofeinfahrt des gegenüberliegenden Gebäudes hallten die
Schritte der Passanten durch die spitzen Tropfen des feinen Regens. Er
verdrückte den letzten Rest und leckte sich genüsslich die Finger ab. Seine
Stimmung war gehoben, der Korridor zum Tod so nah und lebendig. Eine frische
Brise, die ihn hinaushob.
Er hob den Kopf und fuhr fort:
"Du siehst mich durch dich... sieh mich an, in mir spiegelt sich die Welt.
Du sieht mich die Straßen entlang wandeln, traumverloren, abwesend, als wüsste
ich, dass du mich beobachtest und merkst, dass du dich selber siehst.
Radio perdida
Sie nahm das Päckchen
und betrachtete es. Es war klein und rechteckig und als sie es aufriss, kam
eine Kassette zum Vorschein. Sie schaute sie erstaunt an und besah sich den
Titel, der mit blauem Kugelschreiber auf das Etikett gekritzelt war. „Radio
perdida. Una puerta es un lugar que no puede hallarse en el Mapa.“ ...
"Das verlorene Radio. Eine Tür ist ein Ort, der sich nicht auf der Karte findet."
Sie drehte die Kassette hin und her und schob sie dann ins Fach.
Großvater Eldin
An diesem Tag kam Großvater Eldin am
frühen Abend in ein kleines Zimmer eines roten Backsteingebäudes. Darin
befand sich ein Baststuhl zum Schaukeln, wie er ihn vor langer Zeit mal besessen
hatte. Er war am Fenster und Großvater Eldin ging langsam auf den Stuhl zu. Der
braune Bast glänzte wie neu und Eldin ließ sich hineinfallen. Der Stuhl knarrte
leise und ein roter Falter flog durch das offene Fenster hinein und setzte sich
leise auf den Stoff seiner Hose. Eldin streckte die Hand nach ihm aus, aber der
Falter erhob sich wieder und flog hinaus. Die Sonne ging blutrot unter.
"Der Himmel brennt ja", dachte Eldin. Der Falter flog auf die
untergehende Sonne zu und verschmolz mit dem Himmel.
Da plötzlich explodierte das Rot in
Eldins Kopf. "Mein Gott, ich explodiere", war sein letzter Gedanke,
dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Eis-Wasser-Speicher
Das Herzstück des
Heizsystems war ein Eis- Wasser- Speicher-
eine unterirdische
Zisterne, ein Zwischenspeicher für die zum Heizen benötigte Energie. Sie
umfasste etwa 10.000 Liter Wasser. Über einen Wärmetauscher wurde dem Wasser
ständig Energie entzogen, welche im Anschluss zum Heizen verwendet wurde; bei
dem Kristallisationsprozess wurde beim Gefrierpunkt latente Energie
freigesetzt. Das funktionierte nach dem gleichen Prinzip eines Taschenwärmers
bei dem durch das Kicken eines Metallplättchens latente Energie zu Wärme wurde.
Felsen
Letienne hielt sich die Hand vor die
Augen und schaute angestrengt in die Ferne. Er stand mit Pearl auf einer
Felsenklippe und unter ihnen lärmte die Brandung. Vor dem blauen Horizont
flogen kreischend Möwen über die Wasseroberfläche während die unruhigen Wellen
unter der heißen Sonnenstrahlen funkelten. Letienne's Augen ruhten einen
Augenblick auf dem Wasser, dann wandte er sich an Pearl, die abwartend neben
ihm stand. "Diese Masse hier", mit einer Armbewegung deutete er auf
das Meer, "schaffst du es, diese zu verändern?" fragend schaute er
sie an.
Lucien Friseur
Lucien saß mit geschlossenen Augen
in einem schwarzen Ledersessel und ließ sich die Kopfhaut von den geschickten
Fingern einer jungen Friseuse massieren. Er bewegte langsam den Kopf von links
nach rechts und dachte nach. Heute war der letzte Tag für die Lieferung seiner
Waren. Er wurde unterbrochen, als Guiseppe an der Tür erschien. Neben ihm
stand Pearl. Lucien lächelte beide freundlich an und deutete auf die Sessel.
"Wollt ihr euch nicht setzen? Ich bin hier noch nicht ganz fertig, solange
müsst ihr euch noch gedulden". Er schloss wieder die Augen und überließ
sich der Massage.
Letienne Jagd
Es war Sonntagmorgen und die Straßen
waren wie leergefegt.
Vor allem in diesem Teil der Stadt.
Viele Häuser waren abgerissen worden und zwischen Geröll und Bauschutt standen
vereinzelt Häuser wie hohläugige Köpfe mit zahnlosen Mündern. Das sanfte Gurren
der Tauben belebte das Szenario.
Seit den frühen Morgenstunden
stapfte Letienne durch den grauen Nebel und hatte vorsichtig in die gähnende
Leere der schwarzen Fenster gespäht, mit der Hoffnung, jemand möge ihm endlich
über den Weg laufen. Aber es war Sonntag und die Straßen lagen still und
verödet da. Um die Mittagszeit sank er erschöpft in den Schatten eines dunklen
Eingang eines Hauses und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch quoll in
bläulichen Schlieren aus den Fingern und verlor sich in der Luft. Er starrte
ihm nach und vernahm eine leise Melodie, welche die Anwesenheit einer anderen
Person ankündigte. Letienne kniff die Augen zu und lauschte gespannt. Dann
zerdrückte er vorsichtig die Zigarette und schlich mit leisen Füßen ins Haus.
Festessen
Heute war
es anders. Die Küche wurde erst gestern spätnachmittags informiert, dass heute
eine Veranstaltung im Zelt stattfinden werde, was eher ungewöhnlich war, da es
mitten unter der Woche war. Letienne seufzte und drückte den Aufzugknopf.
Um 20 Uhr
würde die Show für heute beginnen und bis dahin sollten die Hauptgänge serviert
sein. Der Aufzug rollte schräg einen Gang in einem weiten Winkel hinab, der ein
Teil des unterirdischen Höhlensystems unter dem Wasser war. Das Ziel war eine
große unterirdische Halle, die „Apokalypse“ genannt wurde und sich 90 Meter
direkt unter dem Zelt befand. Von dort aus führte ein weiterer Aufzug senkrecht
ins Innere des Zeltes. Um die Halle verliefen lange endlos scheinende
Korridore, durch die Letienne zu den Kühlräumen für Lebensmittel und Getränke
gelangte. Vorsichtig schob er den Wagen mit dem Nachtisch hinein und lief eilig
in die „Apokalypse“. Dort suchte er die Lounge auf, um sich im Dämmerlicht eine
Zigarette anzuzünden. Er blickte sich um und genoss die Stille in dem rötlich
beleuchteten Raum. Seit einem
Jahr arbeitete er nun für Lucien und er konnte sich nicht beklagen. Er hatte
ihn eines Tages verzweifelt aufgesucht, als seine Mutter schon seit mehreren
Monaten krank im Bett gelegen hatte. Lucien hatte ihn wohlwollend aufgenommen
und ihn mit der Zeit als loyalen und zuverlässigen Mitarbeiter schätzen
gelernt. Letienne mit seinem Seitenscheitel und den strahlend weiße Hemden, die
er immer frisch gebügelt trug, wurde ihm eine vertraute Erscheinung, die ihm im
Hintergrund immer mit Rat und Tat zur Seite stand
Er
schaute nach der Uhrzeit und lehnte sich nochmal in den Sessel zurück. Er hatte
noch etwas Zeit, da Lucien sich auf eine Exkrusion begeben hatte. Träge
schnippte er die Asche in das schwere Glas des Aschenbechers, als von dem
Eingangsbereich der Halle Schritte ertönten. Es war Pearl. Sie hatte sich mit
dem Essen beeilt und war dann die weißen gekachelten Gänge entlang zu den
Umkleideräumen gerannt. Dort hatte sie sich hastig in ihren schwarzen Rock und
in die weiße Bluse gezwängt, ihr Haar im Nacken verknotet und sich ebenfalls in
die „Apokalypse“ begeben.
Nun stand
sie vor ihm und er sah ihr ins Gesicht. Trotz ihrer Jugend wirkte es verhärmt
und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Er musterte sie eingehend und
machte Anstalten, sie zu fragen, was sie von ihm wolle.
Blue Bunny
Die Order kam von dem Palast. „Von
denen da oben“, wie Amar es nannte und das war wortwörtlich zu verstehen.
Amar's Küche war Teil der L Systems Company, die für das Casino von Lucien
arbeitete. Dieses Casino war ein glitzerndes purpurfarbenes Gebäude in der
Mitte einer Halbinsel. Dieses Landstück ragte wie eine kleine Zunge von
nordöstlicher Seite in einen 11,500km² großen See. Dieser wurde wegen seiner Form
und seinem Türkisblau „Blue Bunny“ genannt. Die Form erinnerte an einen nach
links geneigten Hasenkopf mit aufgestellten langen Löffeln. Der rechte Löffel
und die ganze rechte Seite des „Blue Bunny“ umgab des dichte Gestrüpp des
Rosensteinparks, welches von den wuchtigen Kronen der Sequoiabäume überschattet
wurde. Die riesigen Bäume wuchsen 80 Meter tief in den Himmel hinein und
verliehen dem ehemaligen Park ein grünliches Licht, das selbst nachts ein
schwaches Leuchten von phosphoreszierenden Grün erzeugte. Aus der Ferne jedoch
dominierte das intensive Blau des Sees und verlieh der Gegend seinen
eigenartigen Reiz. Die auffallende Farbe hatte das Wasser durch seine bodenlose
Tiefe, die bis jetzt keiner geschafft hatte, zu ergründen. Es hieß, der See habe
keinen festen Grund, dieser sei so löchrig sie ein Stück Käse. Und man
munkelte, der See sei untertunnelt, ein riesiges Netz aus einem über 2000 Meter
tiefen unterirdischen Höhlensystem erstrecke sich über die Grenzen der Stadt
hinaus. Das diese Annahme stimmte wussten vor allem die Mitarbeiter von L
System Company die hier für Lucien in den unterirdischen Gebäudetraktaten
arbeiteten. Diese befanden sich direkt unter der Halbinsel, die „Zunge“ genannt
wurde. Die Landmasse dieser „Zunge“ jedoch war ebenfalls durchlöchert und
durchzogen von dem Wasser des Sees, welches den Boden dieser Halbinsel so
dunkel und sumpfig machte. Dazwischen schwammen mit Gärten bestückte Pontons,
schwimmende Gebilde aus Stahlblech und Beton, die mehrere Meter hoch über der
Wasseroberfläche ragten. Jedes
Wochende ließ sich Lucien mit seiner Gefolgschaft in mehreren Gondeln zum
Casino fahren.
Dieses war ebenfalls aus Beton
erbaut, welches auch bei der Errichtung der Unterwasseranlagen eingesetzt
worden war. Dort erstrahlten dann im nächtlichen Dickicht des Waldes üppige
Gelage mit Auftritten und Showeinlagen zu Ehren von Lucien. Heute war es
anders. Die Küche wurde erst gestern spätnachmittags informiert, dass heute
eine Veranstaltung im Zelt stattfinden werde, was eher ungewöhnlich war, da es
mitten unter der Woche war.
Koch Amar
Amar war ein Meisterkoch und galt
als gewissenhafter Mensch.
Trotz seiner großen Hände, die auf
den ersten Blick klobig wirkten, schaffte er es im Stress immer die Ruhe zu
bewahren, um schnell und geschickt zu arbeiten. Auch heute war er wie immer,
unwirsch aber routiniert. Behutsam drückte er das Apfelstückchen, welches die
Form eines Schwans hatte, in die aufgefächerten Restteile eines festen Apfels
und vollendete seinen dekorierten Teller. Er hob ihn mit drei Fingern auf den
bereitstehenden Servicewagen. „Weg damit“, brummte er und ein junger Kellner,
der Letienne genannt wurde, beeilte sich den Wagen zum Aufzug zu schieben. Der
Koch wischte sich die Finger ab und lief rasch ins Büro. Dort setzte er sich an
den Rechner und trug den heutigen Bewirtungsantrag ein. Die Bestellung kam wie
immer von Lucien und war wieder sehr umfangreich. Letienne hatte ihm am frühen
Morgen wie immer die Wünsche und Belange seines Chefs Lucien mitgeteilt. Zum
Mittagessen wünschte er sich eine gut durchgebratene Schwanenbrust mit
Ofenkartoffeln; die orangenen Krusten waren seine Spezialität und eilten dem
guten Ruf seiner Hausmannskost voraus. Das war genau nach Luciens Geschmack und
dafür bezahlte er ihn gut. Der Koch tippte das Menü in den Rechner, als sich
Letienne wieder meldete. Mit einer knappen Geste deutete er nach hinten. „Pearl
ist wieder da.“ Amar runzelte kurz die Stirn und warf einen unwilligen Blick
auf ein Mädchen von etwas 14 Jahren. „Sag ihr, sie kann eine Suppe und den Nachtisch
haben..mehr habe ich für heute nicht“. Der Kellner nickte und führte das
Mädchen in die Küche. Sie setzte sich und löffelte schweigend ihr Essen.
Die Stimmung in der Küche war
angespannt. Die Mitarbeiter hatten verbissene Gesichter, der Maschinenlärm und
das Klappern der Geschirre übertönte ihr Geschrei. Es war unter der Woche und
normalerweise hätten sie in zwei Stunden Feierabend gehabt.
Heute aber ging die Arbeit weiter,
voraussichtlich bis spät in die Nacht, denn für diesen Abend war eine Veranstaltung
mit einem Umfang von 300 geladenen Gästen geplant.
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