3/03/2019

Blue Bunny


Wassermelone


Frau Choi hatte P. vorher auf dem Schulhof apgepasst und ihr eine halbe Wassermelone in die Hand gedrückt. "Hier Pearl, die ist für euch. Grüße schön deine Mutter." Sie hatten ihre Ränzen abgeworfen, sich hingesetzt und ihren Streit fortgesetzt.
"Also", sagte er und hantierte mit dem Schneidemesser. 

"Wieso heißt es "die Schwarzen"? 

"Weil...", P. zögerte, "weil ihre Haut schwarz ist?" 

"Falsch!" antwortete Daniel prompt. Schau dir doch mal die Fahne an." 

"Fahne? Welche Fahne?" 

"Na, die Deutschlandfahne! Mensch, die ist doch schwarz rot, gelb!" 

P. protestierte: "Gar nicht wahr, die ist schwarz, rot, gold!" "Wenn du Augen im Kopf hast, siehst du genau, daß die schwarz, rot, gelb ist!"
"Und was willst du damit sagen?" 

"Was will ich damit sagen?" D. äffte sie nach.
"Damit sind natürlich die Farbigen gemeint!" 

"Welche Farbigen denn?"
"Du hast eine lange Leitung... Farbige in Deutschland. Es gibt die Schlitzaugen. Das sind wir, die Gelben. Dann gibt es die Schwarzen. Wie Berhan oder Sam. Und dann gibt es noch die Roten. Das sind die Deutschen." 

P. schaute an sich herunter. Ihre Arme waren rundlich und braun. Hellbraun. Von gelb keine Spur. "Ich wüsste nicht, daß ich gelb bin." meinte sie mürrisch. Und welcher Deutsche ist denn rot?" 

D. schaute sie ungerührt an.
"Alle werden krebsrot, wenn sie an die Sonne gehen. Deshalb mögen die meisten keine Sonne und freuen sich auf den Winter. Weil sie das aber nicht zugeben wollen, tun sie so, als hätte sie Winterdepressionen."
P. schaute ihn zweifelnd an. "Das leuchtet mir alles nicht so ein. Und die Sache mit gelb und schwarz stimmt immer noch nicht." 

"Ja, das stimmt." D. schnitt sich mit dem Messer weitere Melonenstücke ab.
"Wahrscheinlich sind die meisten farbenblind. Aber im Grunde genommen ist das nett gemeint. Wir leben hier in einem Land, welches tolerant ist und Menschen mit verschiedenen Hautfarben duldet." 

"Meinst du nicht, man könnte andere Fahnen drucken? Mit den Farben dunkelbraun, hellbraun und hellrosa?" 

D. packte die Melone ein und wischte sich seine Finger an seiner Hose ab. "Das wäre zu teuer! Was meinst du, wieviel das kosten würde, 88 Millionen Fahnen nochmal herzustellen." 

"Das ist bestimmt gar nicht teuer!"
"Doch doch, ist es P., glaub mir. Wirtschaftliche Rahmen-bedingungen liebe P. Es sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die solche Verhältnisse schafffen." Er verabschiedete sich und ging.
Ihr Vater saß am Esszimmertisch und studierte die Tageszeitung. "Vater! D. meinte, wegen der wirtschafltichen Rahmenbedingungen würde man uns hier in Deutschland "die Gelben" nennen." 

Ihr Vater schaute kurz auf und sah sie an. 

"Wer hat dich als gelb bezeichnet?" 

"Niemand. Daniel behauptet das." 

"Ach so, Daniel." Er hob kurz den Kopf und dachte nach. 

"Das stimmt schon auf eine Art. Er hat schon recht, er ist ein guter Junge." murmelte er und versank wieder in seine Lektüre.



Dany

Dany hatte eigentlich Daniil geheißen. Im Gegensatz zu den anderen koreanischen Müttern hatte ihm seine Mutter hatte ihm einen russischen Namen gegeben. Später im Englischunterrricht hatte ihr Englischlehrer ihn kurzerhand in Dany umbenannt. Sie, P. hatte damals ebenfalls einen englischen Namen, Sally, bekommen. 

Sie fand ihn jedoch so häßlich, daß sie ihn außerhalb des unterrichts nie erwähnte. Daniil jedoch stellte sich immer zuerst als Dany vor. Der Name war so banal und sexy, daß er anderen Leuten immer problemlos über die Lippen kam. Dany lachte darüber: "Die koreanischen Namen sind einfach nicht weltmarkttauglich. Don-Ju, Seo- won, wer will denn so etwas aussprechen?" 

Im Falle von Don-Ju hatte er Recht gehabt. Sie wurde ständig Turnschu genannt. Seo-won dagegen wurde eigentlich immer richtig ausgesprochen. Alle gaben sich Mühe, SEE-WUON richtig auszusprechen. Nur einmal meinte eine Mitschülerin es würde sich anhören wie Seehund. Aber es war typisch für Dany, daß er übertrieb. Während ihrer Grundschulzeit saßen sie dem Unterricht immer eine Weile auf den Treppen des Schulhofes und erzählten sich Geschichten. Eines Tages erklärte Dany, wie die Farben der Deutschlandfahne zustande gekommen waren.

New vibrant community


Der Verstand war der Apparat, der die Welt auf eine bestimmte Art erschuf. Über eine 3 km lange Brücke gelangte man zu Despommier City. Sie bestand nur aus Gewächsthäusern. Die Kornkammer war ein überdimensioniertes Gebäude, welches aus 20ha grossen "Schubladen bestand, in denen die Pflanzen indoor gezüchtet wurden. Eine Zuchtanstalt für Pflanzen. Ein riesiges 50 Stockwerke hohes Gewächshaus. In dem violetten LED- Licht gedeihten sie, bis sie abgeholt, in Kisten gepackt und verwertet wurden.

Sie blieb stehen und las das Beiblatt: Vor Beginn jeder Messung müssen alle Nutzer das Logbuch lesen um über Betriebsänderungen auf dem Laufenden gehalten zu werden. Abweichungen vom Standard- Setup und andere Auffälligkeiten sind in das Logbuch einzutragen.
Sie schwieg und schaute sich um. Sie wusste, dass der langsame Tod voller Hoffnung war. Ihnen blieb immerhin das Bewusstsein als Erinnerung an ein anderes Selbstsein, welches sie dem gesellschaftlichen Sein geopfert hatten. Es war gefährlich, nicht zu wissen, wohin man gehen soll. Alle wollten abgeholt werden. Aber diejenigen, die sie abholten, brachten sie nicht dahin, wo sie wollten.
Die Pflanzen standen in Reih und Glied. Auf einem Schild stand "Aus kontrolliert ökologischen Anbau.
Welcome in the new vibrant community. The greenest city in the worl.”
Die vollendete Form verschlug ihr die Sprache. Die glatte Message. die besagte, das Einzige was stört, sind Menschen. In der Klinik der Stille war der Tod die Perfektion. Verloren waren diejenigen, die nicht wussten, woher sie kamen. Sie irrten umher und erlagen den Einflüsterungen von Fremden. Wurden abgeholt und weggebracht.


Am Bordstein

Es war an einem nassen Novembertag. Er saß auf der Straße und hielt mit beiden Händen ein Brötchen, in das er hungrig hineinbiss. Seine Haare waren so fettig wie das Innere des saftigen Sandwiches. In der Hofeinfahrt des gegenüberliegenden Gebäudes hallten die Schritte der Passanten durch die spitzen Tropfen des feinen Regens. Er verdrückte den letzten Rest und leckte sich genüsslich die Finger ab. Seine Stimmung war gehoben, der Korridor zum Tod so nah und lebendig. Eine frische Brise, die ihn hinaushob.

Er hob den Kopf und fuhr fort: "Du siehst mich durch dich... sieh mich an, in mir spiegelt sich die Welt. Du sieht mich die Straßen entlang wandeln, traumverloren, abwesend, als wüsste ich, dass du mich beobachtest und merkst, dass du dich selber siehst.

Radio perdida

Sie nahm das Päckchen und betrachtete es. Es war klein und rechteckig und als sie es aufriss, kam eine Kassette zum Vorschein. Sie schaute sie erstaunt an und besah sich den Titel, der mit blauem Kugelschreiber auf das Etikett gekritzelt war. „Radio perdida. Una puerta es un lugar que no puede hallarse en el Mapa.“ ... "Das verlorene Radio. Eine Tür ist ein Ort, der sich nicht auf der Karte findet." Sie drehte die Kassette hin und her und schob sie dann ins Fach.


Großvater Eldin

An diesem Tag kam Großvater Eldin am frühen Abend in ein kleines Zimmer eines roten Backsteingebäudes. Darin befand sich ein Baststuhl zum Schaukeln, wie er ihn vor langer Zeit mal besessen hatte. Er war am Fenster und Großvater Eldin ging langsam auf den Stuhl zu. Der braune Bast glänzte wie neu und Eldin ließ sich hineinfallen. Der Stuhl knarrte leise und ein roter Falter flog durch das offene Fenster hinein und setzte sich leise auf den Stoff seiner Hose. Eldin streckte die Hand nach ihm aus, aber der Falter erhob sich wieder und flog hinaus. Die Sonne ging blutrot unter. "Der Himmel brennt ja", dachte Eldin. Der Falter flog auf die untergehende Sonne zu und verschmolz mit dem Himmel. 

Da plötzlich explodierte das Rot in Eldins Kopf. "Mein Gott, ich explodiere", war sein letzter Gedanke, dann wurde ihm schwarz vor Augen.


Eis-Wasser-Speicher

Das Herzstück des Heizsystems war ein Eis- Wasser- Speicher- 

eine unterirdische Zisterne, ein Zwischenspeicher für die zum Heizen benötigte Energie. Sie umfasste etwa 10.000 Liter Wasser. Über einen Wärmetauscher wurde dem Wasser ständig Energie entzogen, welche im Anschluss zum Heizen verwendet wurde; bei dem Kristallisationsprozess wurde beim Gefrierpunkt latente Energie freigesetzt. Das funktionierte nach dem gleichen Prinzip eines Taschenwärmers bei dem durch das Kicken eines Metallplättchens latente Energie zu Wärme wurde.


Felsen

Letienne hielt sich die Hand vor die Augen und schaute angestrengt in die Ferne. Er stand mit Pearl auf einer Felsenklippe und unter ihnen lärmte die Brandung. Vor dem blauen Horizont flogen kreischend Möwen über die Wasseroberfläche während die unruhigen Wellen unter der heißen Sonnenstrahlen funkelten. Letienne's Augen ruhten einen Augenblick auf dem Wasser, dann wandte er sich an Pearl, die abwartend neben ihm stand. "Diese Masse hier", mit einer Armbewegung deutete er auf das Meer, "schaffst du es, diese zu verändern?" fragend schaute er sie an.



Lucien Friseur

Lucien saß mit geschlossenen Augen in einem schwarzen Ledersessel und ließ sich die Kopfhaut von den geschickten Fingern einer jungen Friseuse massieren. Er bewegte langsam den Kopf von links nach rechts und dachte nach. Heute war der letzte Tag für die Lieferung seiner Waren. Er wurde unterbrochen, als Guiseppe an der Tür erschien. Neben ihm stand Pearl. Lucien lächelte beide freundlich an und deutete auf die Sessel. "Wollt ihr euch nicht setzen? Ich bin hier noch nicht ganz fertig, solange müsst ihr euch noch gedulden". Er schloss wieder die Augen und überließ sich der Massage.


Letienne Jagd

Es war Sonntagmorgen und die Straßen waren wie leergefegt. 

Vor allem in diesem Teil der Stadt. Viele Häuser waren abgerissen worden und zwischen Geröll und Bauschutt standen vereinzelt Häuser wie hohläugige Köpfe mit zahnlosen Mündern. Das sanfte Gurren der Tauben belebte das Szenario.

Seit den frühen Morgenstunden stapfte Letienne durch den grauen Nebel und hatte vorsichtig in die gähnende Leere der schwarzen Fenster gespäht, mit der Hoffnung, jemand möge ihm endlich über den Weg laufen. Aber es war Sonntag und die Straßen lagen still und verödet da. Um die Mittagszeit sank er erschöpft in den Schatten eines dunklen Eingang eines Hauses und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch quoll in bläulichen Schlieren aus den Fingern und verlor sich in der Luft. Er starrte ihm nach und vernahm eine leise Melodie, welche die Anwesenheit einer anderen Person ankündigte. Letienne kniff die Augen zu und lauschte gespannt. Dann zerdrückte er vorsichtig die Zigarette und schlich mit leisen Füßen ins Haus.


Festessen

Heute war es anders. Die Küche wurde erst gestern spätnachmittags informiert, dass heute eine Veranstaltung im Zelt stattfinden werde, was eher ungewöhnlich war, da es mitten unter der Woche war. Letienne seufzte und drückte den Aufzugknopf. 

Um 20 Uhr würde die Show für heute beginnen und bis dahin sollten die Hauptgänge serviert sein. Der Aufzug rollte schräg einen Gang in einem weiten Winkel hinab, der ein Teil des unterirdischen Höhlensystems unter dem Wasser war. Das Ziel war eine große unterirdische Halle, die „Apokalypse“ genannt wurde und sich 90 Meter direkt unter dem Zelt befand. Von dort aus führte ein weiterer Aufzug senkrecht ins Innere des Zeltes. Um die Halle verliefen lange endlos scheinende Korridore, durch die Letienne zu den Kühlräumen für Lebensmittel und Getränke gelangte. Vorsichtig schob er den Wagen mit dem Nachtisch hinein und lief eilig in die „Apokalypse“. Dort suchte er die Lounge auf, um sich im Dämmerlicht eine Zigarette anzuzünden. Er blickte sich um und genoss die Stille in dem rötlich beleuchteten Raum. Seit einem Jahr arbeitete er nun für Lucien und er konnte sich nicht beklagen. Er hatte ihn eines Tages verzweifelt aufgesucht, als seine Mutter schon seit mehreren Monaten krank im Bett gelegen hatte. Lucien hatte ihn wohlwollend aufgenommen und ihn mit der Zeit als loyalen und zuverlässigen Mitarbeiter schätzen gelernt. Letienne mit seinem Seitenscheitel und den strahlend weiße Hemden, die er immer frisch gebügelt trug, wurde ihm eine vertraute Erscheinung, die ihm im Hintergrund immer mit Rat und Tat zur Seite stand

Er schaute nach der Uhrzeit und lehnte sich nochmal in den Sessel zurück. Er hatte noch etwas Zeit, da Lucien sich auf eine Exkrusion begeben hatte. Träge schnippte er die Asche in das schwere Glas des Aschenbechers, als von dem Eingangsbereich der Halle Schritte ertönten. Es war Pearl. Sie hatte sich mit dem Essen beeilt und war dann die weißen gekachelten Gänge entlang zu den Umkleideräumen gerannt. Dort hatte sie sich hastig in ihren schwarzen Rock und in die weiße Bluse gezwängt, ihr Haar im Nacken verknotet und sich ebenfalls in die „Apokalypse“ begeben.

Nun stand sie vor ihm und er sah ihr ins Gesicht. Trotz ihrer Jugend wirkte es verhärmt und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Er musterte sie eingehend und machte Anstalten, sie zu fragen, was sie von ihm wolle.


Blue Bunny

Die Order kam von dem Palast. „Von denen da oben“, wie Amar es nannte und das war wortwörtlich zu verstehen. Amar's Küche war Teil der L Systems Company, die für das Casino von Lucien arbeitete. Dieses Casino war ein glitzerndes purpurfarbenes Gebäude in der Mitte einer Halbinsel. Dieses Landstück ragte wie eine kleine Zunge von nordöstlicher Seite in einen 11,500km² großen See. Dieser wurde wegen seiner Form und seinem Türkisblau „Blue Bunny“ genannt. Die Form erinnerte an einen nach links geneigten Hasenkopf mit aufgestellten langen Löffeln. Der rechte Löffel und die ganze rechte Seite des „Blue Bunny“ umgab des dichte Gestrüpp des Rosensteinparks, welches von den wuchtigen Kronen der Sequoiabäume überschattet wurde. Die riesigen Bäume wuchsen 80 Meter tief in den Himmel hinein und verliehen dem ehemaligen Park ein grünliches Licht, das selbst nachts ein schwaches Leuchten von phosphoreszierenden Grün erzeugte. Aus der Ferne jedoch dominierte das intensive Blau des Sees und verlieh der Gegend seinen eigenartigen Reiz. Die auffallende Farbe hatte das Wasser durch seine bodenlose Tiefe, die bis jetzt keiner geschafft hatte, zu ergründen. Es hieß, der See habe keinen festen Grund, dieser sei so löchrig sie ein Stück Käse. Und man munkelte, der See sei untertunnelt, ein riesiges Netz aus einem über 2000 Meter tiefen unterirdischen Höhlensystem erstrecke sich über die Grenzen der Stadt hinaus. Das diese Annahme stimmte wussten vor allem die Mitarbeiter von L System Company die hier für Lucien in den unterirdischen Gebäudetraktaten arbeiteten. Diese befanden sich direkt unter der Halbinsel, die „Zunge“ genannt wurde. Die Landmasse dieser „Zunge“ jedoch war ebenfalls durchlöchert und durchzogen von dem Wasser des Sees, welches den Boden dieser Halbinsel so dunkel und sumpfig machte. Dazwischen schwammen mit Gärten bestückte Pontons, schwimmende Gebilde aus Stahlblech und Beton, die mehrere Meter hoch über der

Wasseroberfläche ragten. Jedes Wochende ließ sich Lucien mit seiner Gefolgschaft in mehreren Gondeln zum Casino fahren. 

Dieses war ebenfalls aus Beton erbaut, welches auch bei der Errichtung der Unterwasseranlagen eingesetzt worden war. Dort erstrahlten dann im nächtlichen Dickicht des Waldes üppige Gelage mit Auftritten und Showeinlagen zu Ehren von Lucien. Heute war es anders. Die Küche wurde erst gestern spätnachmittags informiert, dass heute eine Veranstaltung im Zelt stattfinden werde, was eher ungewöhnlich war, da es mitten unter der Woche war. 

Koch Amar

Amar war ein Meisterkoch und galt als gewissenhafter Mensch.

Trotz seiner großen Hände, die auf den ersten Blick klobig wirkten, schaffte er es im Stress immer die Ruhe zu bewahren, um schnell und geschickt zu arbeiten. Auch heute war er wie immer, unwirsch aber routiniert. Behutsam drückte er das Apfelstückchen, welches die Form eines Schwans hatte, in die aufgefächerten Restteile eines festen Apfels und vollendete seinen dekorierten Teller. Er hob ihn mit drei Fingern auf den bereitstehenden Servicewagen. „Weg damit“, brummte er und ein junger Kellner, der Letienne genannt wurde, beeilte sich den Wagen zum Aufzug zu schieben. Der Koch wischte sich die Finger ab und lief rasch ins Büro. Dort setzte er sich an den Rechner und trug den heutigen Bewirtungsantrag ein. Die Bestellung kam wie immer von Lucien und war wieder sehr umfangreich. Letienne hatte ihm am frühen Morgen wie immer die Wünsche und Belange seines Chefs Lucien mitgeteilt. Zum Mittagessen wünschte er sich eine gut durchgebratene Schwanenbrust mit Ofenkartoffeln; die orangenen Krusten waren seine Spezialität und eilten dem guten Ruf seiner Hausmannskost voraus. Das war genau nach Luciens Geschmack und dafür bezahlte er ihn gut. Der Koch tippte das Menü in den Rechner, als sich Letienne wieder meldete. Mit einer knappen Geste deutete er nach hinten. „Pearl ist wieder da.“ Amar runzelte kurz die Stirn und warf einen unwilligen Blick auf ein Mädchen von etwas 14 Jahren. „Sag ihr, sie kann eine Suppe und den Nachtisch haben..mehr habe ich für heute nicht“. Der Kellner nickte und führte das Mädchen in die Küche. Sie setzte sich und löffelte schweigend ihr Essen. 

Die Stimmung in der Küche war angespannt. Die Mitarbeiter hatten verbissene Gesichter, der Maschinenlärm und das Klappern der Geschirre übertönte ihr Geschrei. Es war unter der Woche und normalerweise hätten sie in zwei Stunden Feierabend gehabt. 

Heute aber ging die Arbeit weiter, voraussichtlich bis spät in die Nacht, denn für diesen Abend war eine Veranstaltung mit einem Umfang von 300 geladenen Gästen geplant.

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