4/25/2018

Die Verschiebung von Differenz

Die "Kanakenfrage" beschäftigt mich seit meiner frühen Kindkheit. Mein Vater pflegte uns Kindern damals zu sagen : " Ich bin nur euretwegen in diesem verdammten Land. Damit ihr es später einmal besser habt!" Zwei Dinge höre ich heute vor allem daraus: Ich bin anders. Deshalb geht es mir schlechter. Das Wort "Kanake" bringt diese einfache Formel "Ich bin anders und werde diskriminiert! " auf einen Punkt. Ich setze das Wort "Kanake" im weiteren Text nicht mehr in Anführungszeichen!


Jeder, der sich selbst als Kanake bezeichnet schließt diese zwei Aussagen mit ein. Ich nenne es mal "eine auf Differenz basierende Identität."
Dieses "Kanakenphänomen" lässt sich nicht nur bei auf ethnischen bzw. "kulturell" basierenden Differenzen beobachten. Das Gefühl der Differenz erleben gesellschaftliche Gruppen, die anderen Zuordnungskategorien [Armut, körperliche oder geistige Behinderung, sexuelle Orientierung...] unterliegen vermutlich genauso. Ein deutscher Junge, ein "Mensch ohne Migrationshintergrund = MoM" der sich im familiären Bereich in einer "devianten Situation" befindet, empfindet wohl ein ebenso prägendes "Anders- Gefühl" wie eine Person, ein "Mensch mit Migrationshintergrund= MnM", die dafür ein zuverlässiges Label gefundet hat, welches den Titel "Kanake" trägt.
[Doch ist der Unterschied im Gefühl der Differenz zwischen einem MoM und einem MmM nur eine Frage der Nuance oder eine der Qualität? Gibt es eine vielfältige Palette an Differenzgefühlen oder sind "echte Kanaken" tatsächlich aufgrund ihreres "kulturellen Hintergrundes" sozial benachteiligter? ] 

Statistiken, die den Zusammenhang zwischen Migration und Bildung untersuchen, ergeben, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Bildungsleistung gibt.[ Schulabschlüsse, Erwerb von akademischen Graden..]
Mecheril weist hier auf den monolingualen Anspruch im deutschen Bildungssystem und die fehlende Wertschätzung von Mehrsprachigkeit:
Der selbstvertändliche Anspruch der Beherrschung der "spezischen Sprache" produziert und bestätigt Differenzen und Ungleichheiten zwischen den Schülern. Pauschale Stimmen und Urteile zu diesem Phänomen könnten in etwa so lauten: "Wer in Deutschland leben und arbeiten möchte soll gefälligst auch die Sprache lernen."

Nino's Meinung dazu : "Die Kanaken habens doch gut, weil die Deutschen von denen gemobbt werden." Dieses Phänomen hatte ich in einer Brennpunktschule in Stuttgart- Neugereut beobachtet. Eine Hanna oder ein Johannes gingen in der Klasse von lauter Kanaken vollständig unter. 

Aus meiner Perspektive erschienen sie mir als stille blasse "Deutsche" in einer lauten Schar von Kanaken. 
Aus meiner Perspektive erscheint es mir wie eine Verschiebung: Der klassische Anspruch auf die Identität das Andersein beruht in der Annahme, einer unterdrückten Minderheit in einer dominaten Mehrheitsgesellschaft anzugehören. Was passiert aber, wenn die ursprünglich unterdrückte Minderheit zu einer dominaten Mehrheit geworden ist? 
[Inwieweit ist die defizitorientierte Darstellung in Medien [ in akademischen Diskursen ?] noch auf dem aktuellen Stand?]

Nun drängt sich mir der Gedanke auf, dass sich aus meinen eigenen subjektiven Beobachtungen des Klassenzimmeralltags die These der unterdrückten Minderheit nicht aufrechterhalten lasse. Hier wandert mein Bilick auf das Phänomen und die Bedeutung von Gentrifizierung. Die Verdrängung von sozial benachteiligten gesellschatlichen Gruppen aus attraktiven teuren Wohnraum; in der Folge eine Komprimierung und Konzentration von bestimmten gesellschatlichen Gruppen an bestimmte Orte, an denen einige Deutsche "fehl am Platz sind" und eventuell "gemobbt" werden.   Aus meinem verengten Blick im Klassenzimmer sind MoMs in diesem Fall tatsächlich Angehörige einer unterdrückten Minderheit. Dieses Phänomen lässt sich vermutlich auch in bestimmten städtischen Peripherien beobachten. -> "Wer will schon in Stuttgart- Freiberg leben? Dort gibt es doch nur Kanaken!" [Womöglich besteht hier auch ein Zusammenhang mit einer zunehmenden Flucht in die Städte ? Urbanes städtiches Bürgertum, Zivilisiertheit in Form von gepflegten Altbauwohungnen und teuren Mietpreisen.]
















 
 

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