Sind Sie außer Gefahr?

Ein wesentliches Stilmittel dieses Thrillers besteht aus den Metamorphosen oder schon bestehenden Umkehrungen der Figuren in ihr Gegenteil. Stereotype Rollenverständnisse werden durchbrochen, die Figuren agieren entgegen ihren Bestimmungen und Erwartungshaltungen. Schon in der Anfangssequenz werden wir mit der Umkehrung eines Rollenklischees konfrontiert. Zwei ältere Herren, liefern sich eine Verfolgungsjagd im Auto, die tödlich endet. Dabei verhalten sie sich überraschend hitzköpfig und brutal. Eine Verhaltensweise, die man eher Jugendlichen zuschreiben würde.
Eine Zuspitzung erfährt dieses Stilmittel in der Person des "Zahnarztes". Laurence Olivier, der Mann in dem weißen Gewand spielt den ehemaligen KZ-Arzt, der den Spitznamen "Weißer Engel" unter den KZ-Insassen bekam. Die Figur des Arztes, die mit ihren medizinischen Werkzeugen und Kenntnissen eigentlich körperliches Leiden lindern und beseitigen soll agiert hier gegenteilig. Der Helfer und Erlöser wird hier zum sadistischen Folterknecht. Diese Umkehrung der Rolle wird durch die Frage "Sind Sie außer Gefahr?" veranschaulicht. Zwischen dem Doktor und Dustin Hoffman besteht eine Wissensasymmetrie. Dustin H. weiss nicht, weshalb er hier ist. Der Doktor allerdings weiss, dass er ihn gleich anfangen wird zu foltern. Er weiss also, dass Dustin H. in Gefahr ist. Die Feststellung, dass er "in Gefahr ist" wandelt er um in die Frage, "ob er in Gefahr ist". Die Absurdität dieser Frage wird durch die ständige Wiederholung, die verzweifelten Antworten Dustin Hoffmans ignorierend gesteigert.
Eine weitere Umkehrung finden wir in der Rolle seiner Freundin. Die Freundin, als ein Mensch, dem er vertraut und Schutz sucht entpuppt sich als Verräterin, die mit der Gegenseite zusammenarbeitet. Weiterhin entpuppt sich die abgelegene Gegend inmitten einer schönen Landschaft, die er als Zufluchtsort geplant ist, als eine tödliche Falle.
Genauso absurd und überraschend wirkt die New Yorker Gang aus seiner Nachbarschaft. Als kriminelle Halbstarke, die ihn regelmäßig auf der Straße verspotten verkörpern sie anfangs den Prototyp der feindlichen alltäglichen Außenwelt. Überraschend wirkt die Umkehrung ihrer Rolle, als auf seiner Flucht zu seinen Helfern und Verbündeten werden.
Zum Schluß verhält es sich auch so im Showdown des Filmes. Die erbeuteten Diamanten wirft Dustin Hoffman Laurence Olivier vor die Füße. Diese Szene erinnert auch an den Spruch "Perle vor die Säue werfen". Anstatt mit der Beute zu fliehen und sie in Schutz und Sicherheit zu bringen, schleudert sie Dustin Hoffman von sich. Eine spektakuläre Umkehrung in der Handhabung von Erbeuteten; anstatt sie besitzen zu wollen, befreit er sich von der Beute.